Vero schreibt
Samstag, 16. Februar 2013
Gewaltige Worte
Freitag, 9. März 2012
Für meinen Papa zum 50er
Montag, 5. Dezember 2011
Esels-Erinnerungen
Für den Kreativwettbewerb der MedUni Graz.
Mittwoch, 26. Oktober 2011
ohne titel
Du erwartest Gottes Hand zu sehen. Von ferne.
Sonntag, 6. Februar 2011
Im Seziersaal
Der Bus war gerammelt voll. Wir erkämpften uns einen Platz zwischen einem Kinderwagen und einem übel riechenden Mann. Hinter mir stritt ein Mädchen lautstark über ihr Handy. Ich vermutete, dass sie mit ihrem Freund redete, denn ich erfuhr im Laufe ihres Anrufs mehr über ihre letzte Nacht, als ich wissen wollte. Zum Glück wurde ich schnell abgelenkt, denn hinter mir begann eine alte Frau ihrem Sitznachbarn – einem jungen Burschen mit schulterlangen Haaren und schwarzem Ledermantel – von ihren Verdauungsproblemen zu erzählen. Sie sprach nicht sehr leise, und so kam der halbe Bus in den Genuss, die Wirkung verschiedenster Abführmittel erklärt zu bekommen. Als dann zwei Sitzplätze frei wurden, ließen sich meine Freundin und ich schnell darauf nieder und packten unsere Unterlagen aus. Ich versuchte die Geräuschkulisse rund um mich auszublenden, und es gelang mir sogar, obwohl es mir wirklich schwer fiel, mich von den schmachtenden Liebeserklärungen des Pärchens vor mir abzuwenden. Stattdessen versuchte ich meinem Hirn zum abertausendsten Mal einzuprägen, dass der Nervus Ischiadicus durch das Foramen infrapiriforme hindurchtritt und sich dann in den Nervus tibialis und den Nervus fibularis communis aufteilt. Aber irgendwie hatten meine kleinen grauen Zellen etwas gegen diese Information.
Endlich kamen wir bei der Uni an und mussten die beiden Liebenden, sowie die Alte mit der schlechten Verdauung im Bus zurücklassen. Während wir uns hastig unsere Mäntel anzogen und gerade noch pünktlich in den Seziersaal huschten, ging ich in meinem Kopf die gerade vorher gepaukte Information noch einmal durch. Mit Schrecken musste ich feststellen, dass ich das Gesäusel des Pärchen anscheinend doch nicht so gut ausgeblendet hatte. Nun konnte ich mich nur noch erinnern, dass der Nervus ischiadicus durch „deinen sexy Hintern, Baby“ hindurchtrat und sich dann in „Schatzi, du bist mein Ein und Alles“ und „Ey, ich werde dich nie wieder betrügen, Süße“ aufteilte.
Mit einem Schulterzucken musste ich zu Kenntnis nehmen, dass ich wieder einmal keinen Plan hatte, worum es heute im Kurs gehen würde. Doch zum Glück hatte ich einen Joker. Er war Tutor, hieß Jochen und schaute aus wie Adonis höchstpersönlich. Selbst der mit Leichenteilen beschmutzte Mantel tat seiner Schönheit keinen Abbruch. Im Gegenteil, das gab ihm einen verwegenen und unberechenbaren Look. Ach, ich vergaß zu erwähnen: Jochen war mein Freund. Aber nicht mein „Wir-haben-schon-gemeinsam-im-Sandkasten-gespielt-und-verstehen-uns-immer-noch-gut“Freund. Nein, wir waren ein Paar. Seit genau drei Jahren.
Jochen war mein Held, mein Ritter in der strahlenden Rüstung. Vor allem im Seziersaal. Denn obwohl ich Anatomie wirklich gerne mochte und den Sezierkurs unheimlich spannend und interessant fand, konnte oder wollte mein Gehirn sich all die lateinischen Begriffe nicht merken. Jochen lernte mit mir, fragte mich geduldig immer wieder ab und hatte mich schon mehr als einmal aus einer peinlichen Situation mit einem der Professoren gerettet. Und darum konnten mir auch der blöde Nervus Ischiadicus und sein Loch nichts anhaben.
Während des Kurses lächelte mich mein Adonis vom anderen Ende des Saales immer wieder an, und ich konnte die neidischen Blicke der anderen Mädchen fast wie Messerstiche spüren. Doch das war mir egal. Er gehörte mir.
Und jetzt kam er auf mich zu. Der Kurs war schon fast zu Ende und ich bearbeitete gerade den Arm meines Präparats mit dem Skalpell. Ich schaute auf und blickte geradewegs in Jochens wunderschöne Augen. Er sah mich verliebt an und nahm dann plötzlich die Hand der Leiche und hielt sie mir vor die Nase. Ich wollte gerade angewidert einen Schritt zurücktreten, als mir Jochen mit seiner anderen Hand über die Wange strich und mich fragte, ob ihn heirateten wollte. Da erst sah ich das glitzernde Etwas, dass mein Präparat jetzt am Finger trug. Ich war zuerst fassungslos. Dann überwältigt. Schließlich wollte ich „Ja“ sagen. Ja, ich wollte ihn heiraten. Doch mein vegetatives Nervensystem kam mir zuvor. Es stimmte meinem gerade aufgetauchten Glücksgefühl noch nicht ganz zu, und so kotze ich Jochen vor die Füße.
Schlussendlich habe ich dann doch „Ja“ gesagt: Nachdem die Sauerei beseitigt war und wir an diesem Abend unter dem Sternenhimmel spazieren gingen. (Gegen die frische Luft hatte mein Vegetativum nichts einzuwenden).
Doch eines weiß ich ganz sicher: Wenn wir einmal Kinder haben, werde ich ihnen sicher nie erzählen, wie ihr Vater mir den Antrag gemacht hat.
Diese Geschichte ist nach einem witzigen Gespräch übers Seziern, das ich mit meinen Mitbewohnerinnen mal beim Abendessen hatte, enstanden :D
Achja: alle Personen und Begebenheiten in dieser Geschichte sind frei erfunden!